Oberst Chaos

1996 wurde der frühere Generalstabsoberst Friedrich Nyffenegger inhaftiert. Doch trotz einem gigantischen Prozess konnte ihm am Bundesstrafgericht kaum etwas nachgewiesen werden – ein Blick zurück.

Marc Tribelhorn
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Ein finanzielles Durcheinander angerichtet: Oberst Nyffenegger mit Bundesrat Villiger an der Diamant-Feier in Spiez. (Bild: Keystone)

Ein finanzielles Durcheinander angerichtet: Oberst Nyffenegger mit Bundesrat Villiger an der Diamant-Feier in Spiez. (Bild: Keystone)

Am Morgen des 24. Januars 1996 stürmen ein Dutzend Beamte ein Chalet oberhalb des Thunersees. Der pensionierte Generalstabsoberst Friedrich Nyffenegger wird abgeführt, Umzugskartons voller Akten werden beschlagnahmt. In einer dürren Pressemitteilung verkünden Bundesanwaltschaft und Militärjustiz wenig später: «Wir ermitteln wegen Verdachts auf Bestechungs- und Vermögensdelikte.» Die Medien hyperventilieren. Bald ist von einem «Skandal» im Eidgenössischen Militärdepartement die Rede, von «Korruption» und «Landesverrat», ja von einer «Staatsaffäre».

Organisator der Diamant-Feier

Der Festgenommene ist eine bekannte Persönlichkeit. Als die offizielle Schweiz 1989 den 50. Jahrestag der Mobilmachung der Armee während des Zweiten Weltkriegs feiern will, betrauen die Militärs «Fritz», wie Nyffenegger meist genannt wird, mit der delikaten Aufgabe der Organisation. Der gelernte Bankkaufmann gilt als origineller Machertyp. Unter enormem Zeitdruck und vor dem Hintergrund der Armeeabschaffungsinitiative stampft er die Übung «Diamant» aus dem Boden. Als das Budget von sechs Millionen Franken überschritten wird, organisiert er auf eigene Faust Geld. Über 150 000 Veteranen reisen schliesslich zu den rund fünfzig ehemaligen Mobilmachungsplätzen. Dort werden sie mit patriotischen Reden geehrt und erhalten den traditionellen «Spatz» vorgesetzt – ein propagandistischer Grosserfolg.

Doch die Diamant-Feierlichkeiten holen den Obersten dann sieben Jahre später wieder ein. Den Stein ins Rollen gebracht hat seine Ehefrau. Im Rahmen eines wüsten Scheidungskampfs schwärzt sie Nyffenegger bei den Behörden an. Der Oberst habe bei der Abrechnung getrickst und in die eigene Tasche gewirtschaftet.

Bundesanwältin Carla Del Ponte nimmt daraufhin die Ermittlungen auf. Rund einen Monat nach Nyffeneggers Verhaftung bezieht sie an einer Pressekonferenz erstmals Stellung zum Fall – und heizt die Stimmung weiter an, indem sie den Obersten a. D. als grossen kriminellen Fisch präsentiert. Ihm werden Betrug, Bestechung, Urkundenfälschung und Veruntreuung in Millionenhöhe vorgeworfen. Die forsche Bundesanwältin gibt sich siegessicher: «Ich habe so viel Material gegen ihn, dass ich schon morgen die Anklage verfassen könnte.»

Die Militärjustiz führt derweil ein zweites Verfahren wegen Verdachts auf Landesverrat. Es wird gemutmasst, Nyffenegger habe beim Auftrag, eine elektronische Version des geheimen «Behelfs für den Generalstabsdienst» zu produzieren, in grober Weise gegen Sicherheitsvorschriften verstossen.

Schlappe für Del Ponte

Der ehemalige Oberst, der 78 Tage in Untersuchungshaft schmort, wird durch die Vorverurteilung zur Persona non grata. Die Strafverfahren gegen «Mischler-Fritz» ziehen sich über Jahre hin und füllen Hunderte Bundesordner. Am Schluss muss Del Ponte, die während des gigantischen Prozesses im Herbst 1999 bereits Chefanklägerin des Kriegsverbrechertribunals in Den Haag ist, eine herbe Niederlage einstecken. Von ihrer so umfangreichen wie nebulösen Anklage bleiben nur einige Verfehlungen sowie eine Deliktsumme von 45 000 Franken übrig. Nyffenegger erhält dafür sechs Monate bedingt. Und die Militärjustiz qualifiziert den vermeintlichen Landesverrat lediglich als Verletzung militärischer Geheimnisse. Es zeigt sich, dass der Oberst kein Schwerverbrecher ist, sondern vor allem ein Chaot. Doch sein Ruf bleibt beschädigt – bis zu seinem Tod 2011.